ENTRANSÍTO
Sa Punta des Molí, San Antoni de Portmany
24.04.23 bis 30.04.23
Wahrnehmung und Wirklichkeit auf Durchreise
(Ein experimenteller Versuch den Übergang zwischen gestern, jetzt und morgen auszuloten.)
Sa Punta des Molí – San Antoni de Portmany (Ibiza)
Projekt vom 24.April 2023 bis 30. April 2023
Ausstellungseröffnung: 27. April 2023
Anders als rational ökonomisch denkenden Menschen steht es Künstler*innen frei, das Zeitkontinuum außer acht zu lassen und zeitlose Positionen zu entwickeln.
Als Walter Benjamin von 1932 bis 1933 mehrere Aufenthalte in dem Nebengebäude ‚Can Frasquito‘ auf dem Gelände Sa Punta des Molí vollzog, beschäftigte er sich unter anderem mit dem Passagen-Werk, der Berliner Chronik, Erfahrung und Armut und schrieb in einer Reihe von Briefen über seine Eindrücke aus Ibiza. Für Benjamin war die Insel selbst ein Ort des Übergangs, in der Elemente der Natur mit Kultur verknüpft werden. Als vor den Nationalsozialen flüchtender Jude, war er selbst von Migration betroffen und befand sich in einem ständigen Konflikt des Übergangs.
Die Wirklichkeit aus dem Blickwinkel der Ökonomie betrachtet, ist eine andere, als die der Wahrnehmung durch Künstler*innen. Künstler*innen sind meist Reisende ohne Ziel. Sie finden Orte, in denen ihre Ideen Zuflucht finden. Sie sind Nomaden, denen die Freiheit wichtiger ist, als ökonomische Bedürfnisse. Insofern scheint ein Raum, der im eigentlichen Sinne nur ein ‚Transitraum‘ ist, eine Herausforderung darzustellen.
Im Übergang befindet sich gewissermaßen alles an diesem Ort. Nicht nur das Korn, das zu feinem Mehl verarbeitet wurde, auch die benötigte Energie, die sich durch Wind und Wasser ausgelöst in Drehbewegungen verwandelt. Ebenso der kulturelle und urbane Wandel, der sich hier gut sichtbar vollzieht, zeichnet Denkbilder von Passagen auf. Es sind Erfahrungen sich wandelnder Städte und Orte, die sich als Erfahrung des ‚Durchgangs und der Bewegung‘ auch bei Walter Benjamin finden lassen.
Diese Herausforderung hat eine Gruppe von Künstler*innen und Kurator*innen angenommen und sich mit der offensichtlichen Thematik des Zwischenraums, Durchgangs, Übergangs und der Passagen, aber auch der Problematik des Over-tourismus, der Ökonomie der Bewegung und Mobilität gewidmet. Für eine Woche arbeiten und interagieren sie, um einerseits auf eine sich permanent verändernde Wirklichkeit hinzuweisen, anderseits aber auch dadurch sichtbar gewordene Probleme wie Migration, Flucht, Massentourismus, Angst, Diskriminierung, künstlerisch zu verarbeiten.
Sie stellen sich Fragen wie:
Was treibt die Menschen an, sich permanent durch um den Globus zu bewegen? Ist nicht das Leben an sich eine Reise? Sind wir nicht ständig auf der Durchreise? Wo ist unsere Heimat, wo unser zu Hause? Wo ist die Schnittstelle zwischen Flucht und Tourismus? Welche Gefühle spielen an Transitorten eine Rolle? Welche Rolle spielt die Identität der Person? Kann die Menschheitsgeschichte als Geschichte eines kontinuierlichen Transits begriffen werden? Wofür stehen stillgelegte Orte? Wie sieht San Antoni de Portmany in 50 Jahren aus?
Die Ausstellung lädt Besucher*innen ein über Utopien und Dystopien nachzudenken.
“Imágenes que piensan – Sombras Breves”
Video, 59:30 “, Installation, 2023 – Passwort: Denkbilder01
„Denkbilder – Kurze Schatten”[1]
Ein Zelt auf dem Gelände der Sa Punta des Molí erweckt den Eindruck, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Denn das sowohl das Gebäude, als auch das Gelände rund um die alte Mühle, werden nur noch für öffentliche Veranstaltungen genutzt. Assoziationen an Flüchtlingscamps oder sonstige protestorientierte Campingaktionen, von denen es haufenweise Fotos in den Medien der vergangenen Jahre zu sehen gab, führen auf eine falsche Spur. Es ist nur ein Zelt, das der Künstler Michael Dörner für die Verweildauer eines temporären Projektes aufgebaut hat. Es dient dem Künstler als temporäre Enklave für einen Film mit Interviews, die er mit Menschen aus Hamburg und anderen geführt hat, die ein Haus auf der Insel besitzen. Im Rahmen des Themas der Ausstellung „ENTRÀNSITO“ versucht er dem Problem des Begriffes von Heimat, Wahlheimat, aber auch dem Problem der Flucht vor der Heimat und dem Verlust von Heimat, sowie dem Massentourismus und dem Problem der Freiheit des Nomaden am Beispiel Ibizas näherzukommen. Das Zelt bietet ihm eine Art Intimsphäre im Spagat zwischen öffentlichem und privatem Raum. Hier sollen verschiedenen Positionen und Meinungen Raum gegeben werden, auch wenn er nur temporär und situativ erscheint. Der Film in der Ausstellung ist der erste Teil eines längerfristigen Projektes. Ein weiterer Film mit in San Antonio lebenden Menschen wird folgen.
[1] Nach Walter Benjamin